Unsere Linde

Die Linde in Schenklengsfeld (auch Schenklengsfelder Dorflinde oder Riesenlinde genannt) ist der vielleicht älteste Baum in Deutschland. Die Sommerlinde (Tilia platyphyllos) steht in Schenklengsfeld, etwa zehn Kilometer südöstlich von Bad Hersfeld im osthessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Unter der Linde wurde mehrere Jahrhunderte lang Gericht gehalten. Bei ihr war auch ein Pranger für den Strafvollzug aufgebaut.

Standort

Die Linde steht auf etwa 318 Meter Höhe über NN auf dem Marktplatz von Schenklengsfeld, das auf einer fruchtbaren Hochebene zwischen dem Seulingswald im Norden und dem Hessischen Kegelspiel im Süden liegt. Der Marktplatz ist leicht nach Süden geneigt und etwa 30 mal 60 Meter groß. Er ist heute komplett gepflastert. Die Linde selbst ist von einer etwa 50 Zentimeter hohen Steinmauer umgeben. Ein Balkengerüst trägt seit mindestens 1900 die Äste der Linde. Zum Innenraum hin hat die Mauer mehrere Durchgänge. Dahinter befindet sich der Sankt-Georg-Brunnen.

Beschreibung

Die Linde besteht aus vier einzelnen Teilen, die jeweils für sich als Bäume erscheinen. Innerhalb der vier Teile, die einem gemeinsamen Wurzelstock entstammen, befindet sich eine größere, durch Steine erhöhte und mit einem Lattenzaun umgrenzte Freifläche von etwa sechs Quadratmetern. Da auch vier einzelne Bäume dazu neigen, zu einem gemeinsamen Wurzelstock zusammenzuwachsen, wenn sie nur nahe genug beieinander stehen, ist noch unbewiesen, ob sich die Linde ursprünglich aus einem Stamm entwickelt hat, der später geborsten ist. Auch heute noch zeigen die Stammteile Wachstum, so dass sich die Distanz zwischen den Teilen jährlich ein Stück vergrößert. Der Wahrheitsgehalt der Legende, die Linde sei vor langer Zeit durch einen Blitzeinschlag geteilt worden, ist allerdings zweifelhaft. Zu einem Zeitpunkt, als der Stamm noch aus einem Stück bestand, sollen auf den Hauptästen Balken und Dielen gelegen haben, die als Tanzpodium dienten.

Die Krone der Linde wird durch waagerecht verlaufende Hauptäste gebildet. Diese werden von einem etwa 65 Meter langen Gerüst gestützt, das auf insgesamt mehr als 80 Balken ruht. Ein paar Äste wachsen im Zentrum der Krone normal in die Höhe. Die ungewöhnliche Wuchsform der waagerechten Hauptäste wurde dadurch erzielt, dass die Krone in die Breite geleitet und damit das Höhenwachstum gemindert wurde. Bei einer Höhe von etwa zehn Metern weist die Krone einen Durchmesser von fast 25 Metern auf.

Ob die Leitung der Äste zur Gewinnung von Bast diente, wie das bei anderen Tanzlinden beurkundet ist, ist nicht bekannt. Bei diesem Verfahren wurden die jungen, senkrechten Triebe der geleiteten Linde zur Gewinnung von Bast für Veredelungen in der Apfelzucht abgeschnitten. Damit die Zweige stets in ausreichender Menge geerntet werden konnten, wurden sie nach unten gebogen und in dieser Position fixiert. Dadurch bildeten sich die charakteristischen querstrebenden Äste.

Stammumfang

Die Messung des Stammumfanges gestaltet sich schwierig, da der Stamm aus vier einzelnen, voneinander getrennten Teilen besteht. Man misst um die vier Stammteile herum, die jeweils etwa drei Meter Umfang haben. Dabei wird der fehlende Zwischenraum nicht berücksichtigt. In einem Meter Höhe beträgt der Stammumfang, gemessen auf diese Weise, 17,91 Meter. An der Stelle seines geringsten Durchmessers hat der Stamm einen Umfang von 17,80 Metern. Die Linde weist damit den größten Umfang eines Baumes in Deutschland auf. Eine Messung von Hartwig Goerss im Jahre 1978 ergab in 0,5 Meter Höhe einen Umfang von 17,40 Metern.

Alter

Über das Alter der Linde gibt es verschiedene Angaben. Auf einem Stein, der sich im Zentrum der vier Stammteile befindet, steht Gepflanzt im Jahre 760. Dieses Datum ist identisch mit dem des Kapellenbaus. Danach wäre die Linde heute annähernd 1250 Jahre alt. Von wem und wann der Stein angebracht wurde, ist nicht überliefert.

In der ARD-Sendung Deutschlands älteste Bäume am 23. April 2007 wurde die Linde von Stefan Kühn vom Deutschen Baumarchiv mit wahrscheinlich 1000 Jahren oder mehr als ältester Baum in Deutschland vorgestellt Hans Joachim Fröhlich gab 1990 ebenfalls ein Alter von über 1000 und Anette Lenzing 2005 von 1200 bis 1300 Jahren an. In der neuesten Literatur, Deutschlands alte Bäume, wird das Alter der Linde mit 600 bis 1000 Jahren angegeben. Die Minimaleinschätzung von 600 Jahren stammt dabei von Bernd Ullrich, die 1000 Jahre aus Unterlagen des Deutschen Baumarchivs.

Geschichte

Die Linde soll nach den Angaben von T. Rosskopf aus dem Jahre 1964 in Das Landecker Amt im Kreise Hersfeld im Jahre 760 beim Bau einer Kapelle zu Ehren des Ritters Sankt Georg gepflanzt worden sein, wovon ein Stein im Zentrum der vier Stammteile zeugt. Zu diesem Zeitpunkt hieß der Ort noch Lengisfeld. Die Pflanzung der Linde ist jedoch nicht beurkundet. Die Linde diente von 1557 bis 1796 ständig und danach bis weit in das 19. Jahrhundert zeitweise als Gerichtslinde sow ie lange Zeit als Treffpunkt für Tanz und Jahrmarkt.

Die Linde ist aufgrund ihrer Besonderheit schon lange als Naturdenkmal ausgewiesen. Basierend auf dem Feld- und Forstpolizeigesetz von 1880 wurde sie bereits 1926 und 1930 in Anordnungen der Kreis- und Ortspolizeibehörde zum Schutz der Naturdenkmale und 1936 nach dem Reichsnaturschutzgesetz geschützt. Im Jahr 1976 wurde die Linde vom Baumchirurgen Michael Maurer für 11.000 DM saniert. Eine weitere Sanierung erfolgte erst kürzlich – und zwar am 16. November 2009 im Auftrag des BUND durch die Firma Gebrüder Wäldchen aus Ulrichstein.

Tanzlinde

Der Baumchirurg Michael Maurer beschreibt das frühere Aussehen und die Nutzung der Linde in seinem Gutachten vom 30. September 1968 folgendermaßen:

„Und es ist nicht allein die Schenklengsfelder Linde, deren unteren Astkranz man soweit auszog. Ursprünglich zog man diese Linde hoch in drei Stufen, ja sogar 3 Stufen des Bodens. Dies hängt mit der Einteilung im germanischen Glauben zusammen: Unter dem Baum die Riesen (Teufel), im Baume die Menschen und oben in der dritten Stufe (Himmel) die Asen. Dazu glaubte man, dass der Brauttanz unbedingt im Hause der Freija, der guten Fee, getanzt werden müsste, um Glück zu bringen. Sicherlich war diese Linde auch einmal dreistufig. Genau wie an der berühmten Effeltricher Linde verkümmerte der Mittelstamm durch die zu starke Förderung der untersten Stufe, verhungerte er, starb von oben herab ab. Sicherlich tanzte man vor 200 Jahren noch oben, später unten.“

Michael Maurer: Gutachter

Gerichtslinde

In Schenklengsfeld übten Beamte von 1557 bis 1796 ständig und anschließend bis weit in das 19. Jahrhundert hinein zeitweise das Richteramt aus. Das in der Nähe der Linde gelegene ehemalige Amtshaus in der Landecker Straße 8 war der Sitz des landgräflich-hessischen Amtmannes, des obersten Richters des Landecker Amtes. Unter der Gerichtslinde wurden die von Karl dem Großen eingeführten Ratsversammlungen als Thing oder Rügegericht abgehalten. Die verurteilten Feldfrevler wurden unter der Linde an einem Pfahl eine oder mehrere Stunden, teilweise auch einen oder mehrere Tage, angekettet. Dies wird belegt durch den Fund eines Schließeisens, mit dem Verurteilte am Pranger befestigt wurden. Hartwig Goerss schrieb 1981 darüber:

„In früheren Zeiten fanden unter der Linde die Rügegerichte […] statt. […] wurden von der Gemeindevertretung abgehalten und hatten den Zweck, die Feldfrevler zu verurteilen. Diese Missetäter […] wurden an einen unter der Linde angebrachten Pfahl (Löngestock), an welchem sich ein Schließeisen befand, eine oder mehrere Stunden, oft auch einen ganzen Tag, angeschlossen.“
Hartwig Goers

Heutige Bedeutung

Das Tanztreffen hat sich bis in die heutige Zeit erhalten und wird alle zwei Jahre im Juni als Lindenblütenfest gefeiert. Dabei zeigen Trachtengruppen, Gesangvereine und historische Festzüge Szenen aus der Geschichte. Als Höhepunkt findet zum Abschluss des Festes eine Illuminierung der Linde durch ein Feuerwerk statt. Die Linde ist eine der Sehenswürdigkeiten der Gemeinde.

Über die 1000 Jahre alte Linde in Schenklengsfeld
schreibt Peter Rosskopf in seinem Buch: „Das Landecker Amt im Kreis Hersfeld“:

Der Ritter St. Georg wurde von den Bewohnern des Ortes Lengsfeld zum Schutzheiligen erhoben und ihm zu Ehren wurde eine Kapelle gebaut. Hiermit dürfte das Anpflanzen der Linde verbunden gewesen sein und das bezeichnete Alter derselben wäre sonach eher höher als niedriger. Der Überlieferung nach ist sie früher ein starker Baum gewesen, welcher durch einen Blitzschlag in vier Teile geborsten sein soll. In dieser Form sehen wir sie heute noch.
Das Histörchen erzählt sich ganz gut, ist aber wenig glaubhaft. Sieht man einen Baum, den der Blitz getroffen hat, so ist nicht anzunehmen, dass der Blitz so regelrecht gespalten haben soll, der Riese wäre sicher nicht so glimpflich davongekommen.
Wohl ist anzunehmen, dass die Äste des ungeheuren Baumes, die, wie bei jedem alten Lindenbaum, fast waagerecht gewachsen, wegen ihrer eigenen Schwere schon zur Zeit, als der Baum noch gesunder, vielleicht vor Jahrhunderten, durch ein Gebälk unterstützt waren. Der Kern des Baumes ist nach und nach verfault, was jedoch auf die Äste, da sie anderweitig gestützt waren, nicht mehr nachteilig einwirkte, besonders, da sie ihre Nahrung aus der Rinde des Stammes sogen. Der Umfang der vier Teile des Stammes beträgt etwa 18 m, der Hohlraum zwischen desselben beträgt etwa 9 qm. Der Umfang des auf einem Gerüst von ungefähr 80 Balken liegenden Geästes beträgt ungefähr 110 m. Eine Mauer von einem Meter Höhe umrahmt das umfangreiche Gerüst.
Die grünende und alljährlich in voller Blüte stehende Linde ist der Schmuck der ganzen Umgebung, und zahlreiche Fremde lenken alljährlich ihre Schritte dorthin, um dieses wohl einzigartige Naturdenkmal zu bewundern. Sie ist übrigens ein beliebter Spielplatz für die Jugend. Die früher so beliebten Kletterübungen auf den Ästen derselben und das Abschneiden von Ästen zu Pfeilen und Schalmeien, ebenso das Abpflücken der Blüte sind streng untersagt worden. In früheren Zeiten fanden unter der Linde die Rügegerichte und auch die Jahrmärkte statt, außerdem wurden damals, wie auch heute noch, unter dem herrlichen Lindendache Tanzvergnügungen abgehalten (… im jährlichen Wechsel das „Lindenblütenfest“ und der „Abend unter der Linde“).

Die oben erwähnten Rügegerichtewurden von der Gemeindevertretung abgehalten und hatten den Zweck, die Feldfrevler zu verurteilen. Diese Missetäter wurden, je nachdem der Fall leicht oder schwer war, an den Pranger gestellt, das heißt sie wurden an einem unter der Linde angebrachten Pfahl (Löngestock), an welchem sich ein Schließeisen befand, eine oder mehrere Stunden, oft auch einen ganzen Tag, angeschlossen.

Diese Gerichte haben sich bis in die 1950er Jahre des vorvorigen Jahrhunderts erhalten. Alte Leute wissen noch davon zu erzählen. Ein Aktenstück über die Rügegerichte befindet sich im Archiv zu Marburg. Im 17. Jahrhundert sind mit der Regierung in Kassel Verhandlungen über das Rügegerichtswesen gepflogen worden. Die Rügegerichte wurden von Karl dem Großen eingeführt. Im Jahre 1930 wurde die Linde neu eingefasst und gestützt.

Pressemeldung vom 27. Oktober 2009, 16:41 Uhr

Hersfeld-Rotenburg: Berühmte “Tanzlinde” in Schenklengsfeld muss baum­pflegerisch behandelt werden.

Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises informiert über Rückschnitt im Kronenbereich / Behinderungen am Markplatzes in Schenklengsfeld

Hersfeld-Rotenburg. Die wohl älteste Bewohnerin des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, die als Baum-Naturdenkmal ausgewiesene rund 1000-jährige „Tanz­linde“ in Schenklengsfeld, wird baumpflegerisch behandelt und in der Krone zurückgeschnitten. In den kommenden Tagen und der kommenden Woche werden Experten einer auf solche Maßnahmen spezialisierten Firma ans Werk gehen, informiert die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Hersfeld-Ro­tenburg, in deren Obhut das Naturdenkmal steht. Notwendig sind die Eingriffe, da bei der Tanzlinde ist in den vergangenen Jahren ein zunehmender Holzabbau durch Vermorschung der Stämme zu beobachten war.

Seit den umfangreichen Sanierungsarbeiten in den siebziger Jahren des vergan­genen Jahrhunderts hat sich die Tanzlinde im Bereich der oberen Krone üppig entwickelt, während sich der Zustand der vier alten Hauptstämme nicht ver­bessert hat. In Teilen wurde er leider sogar schlechter. Seitdem ist bei dem im­posanten Baum eine fortschreitende Zersetzung des Holzes an den Stammba­sen festzustellen. Um dem vorhandenen Baum eine Chance zum mittelfristigen Überleben zu geben, ist es nun notwendig, die Krone um mehr als ein Drittel zurückzuschneiden.

Ziel der Maßnahme ist es nach Darstellung der Unteren Naturschutzbehörde, die durch den Holzabbau schwächer werdenden Stammbasen vom Gewicht der größer gewordenen Krone zu entlastenden. Auch soll der alte Baum zum ver­stärkten Neuaustrieb und auf diese Weise zur Bildung neuen Stammholzes ange­regt werden. Zum einen sollen so die alten Stammteile vor Ausbrüchen und der mechanischen Zerstörungen durch Sturmereignisse bewahrt und zum anderen die Vitalität gefördert und die Erhaltungschancen verbessert werden.

Linden verfügen oft über ein gutes Regenerationsvermögen; selbst im hohen Alter kann ein mäßiger Rückschnitt zur Verbesserung des Holzwachstums und zur Neubildung der arttypischen Krone führen. Bei diesem weithin bekannten Baum ist der starke Rückschnitt baumpflegerisch jedoch nur deshalb vertretbar, weil durch den schlechten Allgemeinzustand der unteren Stammabschnitte ein Erhalt des Baumes mittelfristig in anderer Form nicht mehr gewährleistet wer­den kann.


Hohlräume bieten Schutz
Das Stammsegment ist teilweise abgestorben und wird durch Gewindestan­gen und Stahlbänder stabilisiert. Es scheint an verschiedenen Stellen, als wür­de der Baum nur noch von seiner Rinde getragen. Die Hohlräume in den dicken Ästen dienen so manchem Insekt als Lebens­raum und werden im Winter auch als Unterschlupf von kleineren Vögeln aufgesucht.