Hersfelder Kreisbahn

Die erste Fahrt

Die Eröffnungsfahrt von Hersfeld über Schenklengsfeld nach Heimboldshausen fand am 26. September 1912 gegen 10:00 Uhr statt. Mit etwa 200 Ehrengästen an Bord fuhr der Zug los. Gezogen von 2 Lokomotiven – mit Namen „Hersfeld“ und „Landecker“. An allen Bahnhöfen: Hersfeld – Sorga – Malkomes – Schenksolz – Schenklengsfeld – Wehrshausen – Ransbach und Heimboldshausen, die sehr feierlich geschmückt waren, gab es Dankesreden und auch Lieder wurden angestimmt. Besonders die Gemeinde Schenklengsfeld hatte sich für den Bau der Strecke eingesetzt und sich auch finanziell daran beteiligt. Allein von der Gemeinde Schenklengsfeld wurden 50.000 Goldmark aufgebracht.

Leider konnte die Eröffnungsfeier an diesem Tage nicht stattfinden. Durch Hochwasser war es an einigen Stellen zu Schäden am Bahnkörper bei Sorga und Schenklengsfeld gekommen. Die Feier wurde zunächst auf den 20. September 1912, dann auf den 26. September 1912 festgelegt. Dann endlich erfolgte die erste Fahrt. Die Hersfelder Zeitung berichtete darüber in ihrer Ausgabe vom 28.09.1912:“Ein Festtag für die Gemeinden des Landecker Amtes war der gestrige Donnerstag. Mit der feierlichen Eröffnung der Kreisbahn Hersfeld – Heimboldshausen sind die lange gehegten Wünsche der im östlichen Teil des Kreises gelegenen Ortschaften nach einer guten Verbindung zur Kreishauptstadt erfüllt“.“Wohl nahezu 200 geladene Gäste nahmen an der um 10:45 Uhr beginnenden Eröffnungsfahrt teil. Regierung und Eisenbahnbehörde hatten zu der Feier ihre Vertreter entsandt. Die Herren Landräte der benachbarten Kreise Hünfeld und Rotenburg waren gleichfalls erschienen. Die Stadt Hersfeld war vertreten durch Herrn Stadtrat Auel, sowie mehrere Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung.
Weiter nahmen teil die Mitglieder des Kreisausschusses, Vertreter der Militär- und Zivilbehörden, der Industrie, des Handels und aller Erwerbsstände von Stadt und Kreis Hersfeld.
Pünktlich um 10:45 Uhr setzte sich der Festzug, dessen beiden Maschinen „Hersfeld“ und „Landecker“ Fahnenschmuck trugen, unter den Klängen eines von der Otterschen Kapelle gespielten flotten Marsches in Bewegung, jubelnd begrüßt von einer frohgestimmten Menge, die längs der Gleise Aufstellung genommen hatte.Die erste Station war Sorga. Dort hatte die Schuljugend Aufstellung genommen, um unter Leitung von Herrn Hauptlehrer Hahn den Zug mit einer Festhymne zu begrüßen. Herr Pfarrer Scheffer nahm hier das Wort um den Erbauern der Bahn den Dank der Gemeinde Sorga für deren Herstellung zum Ausdruck zu bringen.


Seine Dankesworte galten insbesondere Herrn Landrat von Grunelius, der sich durch keine Schwierigkeiten habe zurückschrecken lassen und sich ein Denkmal geschaffen habe, das dauernder sei als Erz. Namens der Gemeinde Sorga und der Gemeinden des Solztales brachte er ein Hoch auf die Kreisvertretung aus, in das die Festteilnehmer begeistert einstimmten.
Herr Landrat von Grunelius dankte dem Redner und den aus Sorga und Umgebung erschienenen Bewohnern für den der Bahn bereiteten freundlichen Empfang. Eine Genugtuung sei es ihm, daß der Wunsch der Bewohner des Solztales nach einer Bahnverbindung nach Hersfeld erfüllt sei, die dem ganzen Kreis zum Segen gereichen würde.Unter den munteren Weisen des Trommler- und Pfeiferkorps der Sorgaer Schule setzte sich der Zug wieder in Bewegung, um die nächste Staion, Malkomes zu erreichen. Malkomes tat sich besonders hervor durch festlichen Schmuck seines Bahnhofs und durch die reizenden Volkstrachten seiner jungen Mädchen. In tiefempfundenen Worten brachte Herr Lehrer Übel die Gefühle der Bevölkerung zum Ausdruck, die mit Vollendung des Bahnbaues lange gehegte Wünsche erfüllt sehe. Sein Hoch galt Herrn Landrat von Grunelius, der dem Herrn Redner und den Bewohnern von Malkomes herzlich für die Begrüßung dankte. In Schenksolz, dem nächsten Haltepunkt, sprach namens der Gemeindevertretung Herr Bürgermeister Schneider und gab der Freude der Bevölkerung über die endlich geschaffene Verbindung mit der Stadt Hersfeld Ausdruck.Den Mittelpunkt der Feier bildte Schenklengsfeld. Hier hatten ebenfalls Gemeindevertretung und Vereine, der Kriegsverein mit präsentiertem Gewehr, Aufstellung genommen, um die Festteilnehmer und den Festzug mit einer dreifachen Salve zu begrüßen.

Einer kurzen Ansprache des Bürgermeisters Rüger ließ Pfarrer Schenk eine ausführliche Schilderung der Verkehrsverhältnisse folgen, die in den Jahren vor Eröffnung der Bahn viel zu wünschen übrig ließen. Das eifrige Wirken und Schaffen von Kreisbehörde, Gemeinde und Bevölkerung habe seinen Erfolg aber in erster Linie der auf Erhaltung des Friedens gerichteten Regierung unseres Kaisers zu danken.
Dem Friedenskaiser galt dann auch das von dem Herrn Redner ausgebrachte und von der Versammlung begeistert aufgenommene Hoch.
Herr Landrat von Grunelius hob in seinen Dankesworten die Opferwilligkeit der Gemeinde Schenklengsfeld anerkennend hervor, die allein zu den Grunderwerbskosten der Bahn 50.000 Mark beigetragen habe und noch weitere, nicht unerhebliche Mittel für den Bau einer Zufahrtsstraße zur Bahn zu beschaffen habe. Mit einem Hoch auf Schenklengsfeld und das Landecker Amt schloß der Landrat seine von dem Wunsch auf gedeihliche Entwicklung des Verkehrs auf der Bahn geleiteten Worte.Auch der Vorsitzende des Kriegsvereins Schenklengsfeld, Herr Höfer, wußte in launiger Weisedie Zustände in Schenklengsfeld vor dem Bahnbau in einigen humorvollen Versen zu schildern.
Der Gesangverein, die Schulen und die Schenklengsfelder Kapelle trugen ihren Teil zum guten Gelingen des festlichen Empfangs auf dem Schenklengsfelder Bahnhof bei. In den Räumen des Bahnhofs wurde den Festteilnehmern ein von der Kreisverwaltung gegebenes Frühstück, von dem Bahnhofswirt Herrn Geheb schmackhaft zubereitet, vorgesetzt.

Unterdeß konnte die Bevölkerung den Zug besichtigen und war voll des Lobes über die schön eingerichteten neuen Wagen. Ehe die Fahrt von Schenklengsfeld fortgesetzt wurde, überraschte noch Herr Conrad Schüler, ein in Kassel wohnender Schenklengsfelder, seine Landsleute und die Festteilnehmer mit einem schwungvollen, selbstverfaßten Gedicht, das Vorgeschichte und Geschichte des Bahnbaues schilderte und von den Zuhörern beifällig aufgenommen wurde.Weiter ging nun die Reise nach Wehrshausen, wo Herr Bürgermeister Rüger mit der Gemeindevertretung und Herr Lehrer Horn mit der Schuljugend dem „schwarzen Roß“ ihren Gruß entboten. Wehrshausen ist die höchstgelegene Gemeinde der Bahn. Der Verkehr von und nach dort war früher besonders schwierig. Die neue Bahn bringe auch hier, wie Landrat von Grunelius auf die Ansprache des Herrn Bürgermeisters betonte, die ersehnte Verkehrsverbesserung und die Möglichkeit zum wirtschaftlichen Aufschwung.In Ransbach empfing Herr Pfarrer Nolte den Festzug mit festlicher Ansprache, in der er allen am Bahnbau Beteiligtendankte in der Hoffnung, daß die an der Bahn liegenden Orte den von ihr ersehnten Gewinn in ethischer, kultureller und materieller Hinsicht erlangen möchten. Unter der Leitung von Herrn Kantor Horn brachten Schulkinder mehrere unserer schönsten hessischen Volkslieder zum Vortrag. Der Herr Bürgermeister und der Kriegsvereinsvorsitzende Scheer ließen Herrn Landrat von Grunelius hochleben, zu dessen Ehren die Gewehrsektion des Vereins eine dreifache Salve abfeuerte. Dann ging es unter den Klängen der Ransbacher Kapelle weiter zum Endpunkt der Bahn nach Heimboldshausen, wo Herr Pfarrer Heßler von Philippsthal die Festansprache übernommen hatte, in der er in humorvoller Weise eine Schilderung der an die neue Bahn geknüpften Hoffnungen gab. Natürlich hatten sich auch hier Gemeindevertretung, Bevölkerung und Schule in großer Zahl eingefunden, um ihren teil zur Verschönerung der Feier beizutragen.Nach etwa halbstündigem Aufenthalt wurde die Rückfahrt nach Hersfeld angetreten, wo die Festteilnehmer um 4:30 Uhr nachmittags wieder eintrafen. In dem Saale des „Hotels Stern“ fand ein Festessen statt, an dem sich ca. 180 Herren beteiligten und in dessen Verlauf die teilnehmenden Vertreter des Herr Reg. Präsidenten, des Landeshauptmanns, der Eisenbahndirektion Erfurt und Kassel, der Postverwaltung und der Stadt Hersfeld ihre Grüße und guten Wünsche überbrachten und mit einem Hoch auf den Kaiser und die Erbauer der Bahn schlossen.
Alle Sprecher hoben lobend hervor, daß die Bahn tadellos gebaut wurde und die Bahnhofsgebäude gut den ländlichen Verhältnissen angepaßt seien.

Für die beim Bahnbau beteiligten Arbeiter stand am Abend der Eröffnungsfeier in der Gastwirtschaft Sander in Hersfeld ein herrlich gedeckter Tisch bereit. Auch hier kam allgemein die Befriedigung über das Erreichte zum Ausdruck“.Ärger gab es natürlich auch. Infolge der Terminverschiebungen mußten viele der geladenen prominenten Ehrengäste absagen, andere, wie einige jüdische Bürger beklagten sich, weil sie nicht zur Teilnahme eingeladen worden waren. Es sei ein schreiendes Unrecht, beschwerten sich die Schenklengsfelder Juden, sie von der Eröffnungsfeier auszuschließen, obwohl sie 3/4 der Gemeindesteuern aufbrächten den Löwenanteil an den Gemeindelasten durch den Bahnbau trügen und die Rentabilität der Bahn von ihrer Geschäftstüchtigkeit abhinge.
Und der Kreisvorsteher der israelitischen Gemeinden des Kreises Hersfeld, Jakob Hahn, schrieb an Landrat von Grunelius: „Es hat hierorts Befremden erregt, daß der Unterzeichnete keine Einladung zur Teilnahme an der Eröffnungsfeier der Kreisbahn erhalten hat. Nachdem die verschiedensten Behörden direkt eingeladen wurden, bitte ich um gefälligste Aufklärung, warum dies bei dem Unterzeichneten unterblieben ist.“
Die Antwort des durch den Bahnbau arg geschlauchten Landrats lautete: „Weil nicht genug Platz vorhanden, nicht aus besonderer Absicht“.
Nun, für einen Vertreter des jüdischen Bevölkerungsteils und auch wohl der beim Bau beschäftigten Arbeiter wäre sicher ein Platz als Ehrengast im Festzug und auch beim Festessen im „Hotel Stern“ frei gewesen.

Quelle: Festschrift zu 75jährigen Jubiläum der Hersfelder Kreisbahn, Hersfelder-Eisenbahn-Gesellschaft, Rektor i.R. Otto Deisenroth, Verwaltungsoberrat Hans Stuckhardt.

Jubiläum – 25 Jahre

Als die Kreisbahn 1937 ihr 25-jähriges Bestehen feierte, wehten von den Bahnhofsgebäuden in Hersfeld, Sorga, Malkomes, Schenksolz, Schenklengsfeld, Wehrshausen, Ransbach und Heimboldshausen die Hakenkreuzfahnen des Dritten Reiches. Die schwarz-rot-goldene Flagge der Weimarer Republik war 1933 verschwunden, die Parteien waren aufgelöst und die Länderparlamente angeschafft worden. Es gab nur noch eine Partei und einen Führer als Staatsoberhaupt. Er war in Personalunion Reichskanzler und Reichspräsident. Deutschland hatte wieder einmal seine Staatsform geändert.

Die Franzosen und Engländer hatten 1930 das von ihnen besetzte Rheinland endgültig ganz verlassen. Auch das Saargebiet war 1935 geräumt und dem deutschen Reich wieder eingegliedert worden. Nun sollten auch die abgetrennten deutschen Ostgebiete „Heim ins Reich“ geholt werden.

Das 100.000 Mannheer der Reichswehr war nach Wiederherstellung der deutschen Wehrhoheit 1936 von der aus Wehrpflichtigen gebildeten Wehrmacht abgelöst worden. Auch Hersfeld war Garnisonsstadt geworden, wo 1937 in der neuen Kaserne „An der Warth“ die ersten Eingezogenen vereidigt wurden. An Hitlers Geburtstag paradierten sie auf dem Marktplatz. Um die Kaserne entstand im Stadtteil „Hohe Luft“ ein neues Stadtviertel.

Auch weite Kreise der deutschen Zivilbevölkerung waren uniformiert, soweit sie in den Parteigliederungen der politischen Leiter, der SA, SS, HJ, BDM, NSKK, Frauenschaft und Arbeitsdienst organisiert waren. Per Rundfunk vereidigte Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess 1937 734.000 ernannte politische Leiter und auf dem Reichsparteitag der NSDAP in diesem Jahr waren rund 38.000 Angehörige des männlichen und erstmals des weiblichen Arbeitsdienstes angetreten, 100.000 politische Leiter, 50.000 Hitlerjungen und BDM-Mädel, 78.000 SA-Männer, 19.000 SS-Männer und 12.000 NSKK-Männer. Die Partei beherrschte den Staat und seine Bürger. Alle Gewalt ging von der Partei und ihren Führer aus. Es gab keinen politischen und weltanschaulichen Freiraum. Viele politische Gegner wurden in Straflagern interniert. In der Einheitsgewerkschaft „Deutsche Arbeitsfront“ waren alle Werktätigen erfasst. Die Arbeitslosenzahl war bis Ende 1937 auf 647.000 zurückgegangen.

Über das Silberjubiläum der Kreisbahn berichtete die Hersfelder Zeitung am 27.09.1937: „Wie vor 25 Jahren, als sie eröffnet wurde, prangten auch gestern die Hersfelder Kreisbahn, ihre Bahnhöfe und Züge im Festschmuck. Die Lok 1 Hersfeld, die 1912 den Eröffnungszug gefahren hatte, führte auch gestern den Silberzug über die Strecke. Sie trug an der Stirn- und der Rückseite ein Girlanden-Transparent mit der Zahl „25“. Auch die Wagen waren blumenbekränzt und auf den Bahnhöfen waren die Nationalfahnen gehisst.
Bereits am Vorabend des 25-jährigen Gedenktages versammelte sich die Betriebsgemeinschaft zu einem Kameradschaftsabend in dem festlich geschmückten kleinen Saale des Zunfthauses. Dort hatte sich auch der Kreisausschuß und der Kreisbauernführer mit seinem Stabsleiter eingefunden. Landrat Bienert begrüßte sie und sprach über die Bedeutung des Tages. Er stellte die Aufgaben der Kreisbahn im Wirtschaftsleben der engeren Heimat heraus und erinnerte an die Wechselfälle, denen sie ausgesetzt war. Wenn die Kreisbahn trotzdem immer ihre Aufgabe erfüllt hat, dann ist das ein Verdienst der zumeist von Anfang ihrer Entwicklung bei ihr beschäftigten Arbeitskameraden.
Das muss an diesem Tage gesagt werden, das ist die Heimat der Kreisbahn und den an ihr Schaffenden schuldig. Bis zu ihrer Inbetriebnahme gingen Jahr für Jahr viele Volksgenossen nach Westfalen, um dort Arbeit und Brot zu finden. Mit der Kreisbahn änderte sich dieses Bild. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten des durch den Bahnbau erschlossenen Gebietes konnten besser ausgenutzt werden, zudem entwickelte sich die Kali-Industrie zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor. Nach 1933 kam es zu einem besonderen Aufschwung. Trotz der Motorisierung hat die Kreisbahn ihre Bedeutung nicht verloren.

Mit herzlichen Dankesworten überreichte Landrat Bienert den 12 Jubilaren zu ihrem 25-jährigen Dienstjubiläum eine Ehrenurkunde des Kreises und eine von diesem gestiftete goldene Uhr mit Widmung sowie 50 RM Treuegeld. Es sind die Arbeitskameraden Bahnmeister Bechtold, Lokführer Dehmert, Bahnhofsmeister Diehl, Reservelokführer Kurz, Lokführer Köhler, Bahnhofsvorsteher Mack, Oberschaffner Mansius, Bahnhofsaufseher G. Müller, Oberzugführer Ruben, Zugführer Ullrich, Werkmeister Wambach und Betriebsleiter Winter.

Für die Betriebsgemeinschaft sprach damals Betriebsmann Schütrumpf, Schenklengsfeld, und überreichte den Jubilaren als Ehrengabe je einen Sessel. Namens der Geehrten dankte Betriebsleiter Winter für die Ehrungen und bekräftigte: „Wie dieser Abend ein Spiegelbild der Betriebsgemeinschaft ist, so wird die Kreisbahn auch im zweiten Vierteljahrhundert treu und gewissenhaft ihre Aufgabe im Dienste der Heimat erfüllen“.
Der offizielle Teil des Abends, der musikalisch umrahmt war, wurde nach einem Gruß an den Führer mit dem Gesang der Nationalhymne beschlossen. Nach einem gemeinsamen Abendessen ging man zum gemütlichen Teil über mit Bier, Gesang und Austausch alter Erinnerungen an die Pionierzeit der Kreisbahn.

Von den vielen eingegangenen schriftlichen Glückwünschen zum silbernen Jubiläum wurden besonders die Glückwunschtelegramme vom ersten Betriebsdirektor Karl Hille und vom ehemaligen Landrat von Grunelius mit Beifall von den Kreisbahnern aufgenommen. Hille telegraphierte: “ … der Rückblick zeigt, dass der damalige Beschluss zur Errichtung der Bahn eine Notwendigkeit war“ und von Grunelius schloß sein Telegramm mit den Worten “ … in dankbarer Erinnerung an gemeinschaftlich erfolgreiche Arbeit“.

Quelle: Festschrift zu 75jährigen Jubiläum der Hersfelder Kreisbahn, Hersfelder-Eisenbahn-Gesellschaft,
Rektor i.R. Otto Deisenroth, Verwaltungsoberrat Hans Stuckhardt.

Goldenes Jubiläum – 50 Jahre

Auch im 50. Jahre ihres Bestehens ist die Welt in Bewegung und Deutschland immer noch ein zweigeteiltes Vaterland. Die Grenze zur DDR ist durch einen doppelten Stacheldrahtzaun gesichert und durch Berlin wurde eine Mauer gebaut. „Vorsicht Minen“ steht vor dem Grenzstreifen bei Obersuhl und Philippsthal, wo die Grenze immer noch durch die Hoßfeldsche Druckerei an der Vachaer Werrabrücke verläuft. Bei Obersuhl wurden die angrenzenden Häuser des Nachbardorfes Untersuhl geräumt und gesprengt.

Die DDR-Kali-Transporte aus dem DDR-Kalirevier um Merkers und Dorndorf wurden eingestellt, nachdem die DDR-Reichsbahn den Kaliverkehr an die Meininger Bahnstrecke angeschlossen hat. Auch die Kalistrecke vom Kaliwerk Unterbreitzbach über Philippsthal-Süd durch die Bundesrepublik nach Vacha wurde stillgelegt, nachdem drüben eine direkte Bahnverbindung nach Vacha geschaffen wurde. Mit dem letzten Zug aus Vacha flüchtete der Vachaer Bahnhofsvorsteher in die BRD. Im Jubiläumsjahr 1962 ist die DDR-Reichsbahn dabei, eine neue 13 km lange Verbindungsstrecke von Gerstungen nach Förtha zur Meininger Bahn fertigzustellen, um das BRD-Bahnstück Wommen-Herleshausen zu umgehen. Immer noch werden täglich trotz der Grenzsperren 10 Zonenflüchtlinge registriert, aber der illegale kleine Grenzverkehr tropft immer mehr aus.
Und doch findet ab und zu ein DDR-Grenzpolizist eine Lücke im Grenzzaun, um sich in Philippsthal Zigaretten zu besorgen.

Am 27.09.1962 berichtete die Hersfelder Zeitung in einem Beitrag „Die Kreisbahn rangiert mit an der Spitze“ in ihrem Vorspann über den Verlauf der 50-Jahresfeier:
„Die Jubelfeier der Hersfelder Kreisbahn am gestrigen Mittwoch in Schenklengsfelderhielt ihren besonderen Akzent nicht nur durch die Anwesenheit prominenter Persönlichkeiten, sondern auch durch deren Ansprachen. So wurde vom Vizepräsidenten der Bundesbahndirektion Kassel, Zabel, mitgeteilt, der Interzonenreiseverkehr werde auch zukünftig über Wartha-Herleshausen-Bebra laufen und nach Zusicherung der zuständigen Beamten der Reichsbahndirektion Erfurt sei nicht damit zu rechnen, dass der sowjetzonale Kalitransport durch den Kreis Hersfeld eingestellt und dafür über die neue Bahnlinie Gerstungen-Förtha geführt werde.
Nach einer Jubiläumsfahrt über die Kreisbahnstrecke bis Hattorf und zurück nach Schenklengsfeld marschierten die Gäste unter den Klängen der Bergmannskapelle durch den Ort zur Gaststätte Steinhauer, wo die eigentliche Jubelfeier ihren Lauf nahm“.

Vor der Abfahrt des girlandengeschmückten Fest-Triebwagens hatte Landrat Edwin Zerbe auf dem Hersfelder Bahnhof neben dem Regierungspräsidenten Schneider, dem Bundesbahnvizepräsidenten Zabel und den Direktoren Brechlin und Jaenecke von den Kaliwerken Hattorf und Wintershall noch zahlreiche weitere Ehrengäste begrüßt, darunter auch die Bürgermeister der Kreisbahndörfer. Nach einer von vielen Kreisbewohnern und Schülersinggruppen umjubelten Festfahrt zur Endstation Werkbahnhof Hattorf wurden die Ehrengäste auf dem Schenklengsfelder Bahnhof von der Hersfelder Kurkapelle musikalisch und von Betriebsleiter Amtmann Döring mit ein paar Begrüßungsworten herzlich empfangen. Voran die Bergkapelle, zog dann die Festgruppe durch die feierlich geschmückten Dorfstraßen zum Festakt im Festsaal Steinhauer.

In seiner Festrede hob Landrat Zerbe wie alle weiteren Festredner die volkswirtschaftliche Bedeutung der Hersfelder Kreisbahn hervor, die mit einer Million beförderter Personen und fast 800.000 t transportierter Güter in 1961 an der Spitze der hessischen nichtbundeseigenen Eisenbahnen rangiere. Es sei den Erbauern hoch anzurechnen, dass sie die Kreisbahn als Normalspurbahn gebaut hätten für die damals sehr erhebliche Summe von 2,3 Millionen Reichsmark, sonst wäre die zeitweise Kaliumleitung in den Nachkriegsjahren nicht möglich gewesen. „Die Kreisbahn endet in Heimboldshausen“, schloss Landrat Zerbe seine Festansprache, „dort wo nur wenige Kilometer entfernt auch die Freiheit aufhört. Wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen, sondern müssen alles tun, dass die Kreisbahn wieder zum Bindeglied zwischen Hessen und einem freien Thüringen wird. Gute Fahrt und lang lebe die Kreisbahn“.

Auch Regierungspräsident Schneider, der die Grüße der Landesregierung überbrachte, äußerte in seinen Schlußworten die Hoffnung, die Kreisbahn möge auch ihren 100. Geburtstag in Freiheit feiern können. Vizepräsident Zabel betonte in seiner Eigenschaft als Landesbevollmächtigter für die Bahnaufsicht, im Hinblick auf eine mögliche erneute Sperrung des Kaliverkehrs im Werratale, man sei gerüstet. „Da wird die Kaliproduktion wieder über die Hersfelder Kreisbahn abgefahren. Der erfolgte Ausbau garantiert den reibungslosen Ablauf“.

Schenklengsfelds Bürgermeister Lorre fand mit seiner Feststellung großen Beifall, dass niemand so viel Anteil nehme an dem Geschehen und der Geschichte der kleinen „Bimmelbahn“ und sich so herzlich mit ihr verbunden fühle wie die Bevölkerung der Mittelpunktgemeinde des Landecker Amtes, die schon für den Bahnbau vor 50 Jahren den respektablen Zuschuß von 50.000 Goldmark hingeblättert habe. „Der Glückwunsch, den ich vor zehn Jahren zum 40. Geburtstag in diesem Saale für die Gemeinde Schenklengsfeld überbracht habe, soll auch der Wunsch für heute und für alle Zukunft sein: „Die Räder der Hersfelder Kreisbahn mögen rollen für den Frieden“.

Im Rahmen der Jubiläumsfeier, die von musikalischen und künstlerischen Darbietungen der Hersfelder Kurkapelle und Mitgliedern des Kasseler Staatstheaters umrahmt wurde, wurden sechs Männer der ersten Kreisbahnstunde, die vor 50 Jahren dabei waren, als die Kreisbahn in Betrieb genommen wurde, unter dem Beifall der Festgäste, von Landrat Zerbe geehrt. Es waren: Kaspar Kurz, Georg Müller, Georg Knüttel, Adolph Bechtold, Heinrich Licht und Heinrich Dehmer. In der Rückerinnerung an die Eröffnungsfeier 1912 stellten sie neben anderen Veränderungen unserer Umwelt und unseres Umfeldes in dem vergangenen halben Jahrhundert fest, dass damals fast alle Mädchen und Frauen in der schönen Landecker Tracht erschienen seien, die bei der 50-Jahresfeier nur noch nostalgisch von der Schenklengsfelder Tanzgruppe getragen wurde. Auch das sei ein Zeichen für den wandel der Zeit.

Quelle: Festschrift zu 75jährigen Jubiläum der Hersfelder Kreisbahn, Hersfelder-Eisenbahn-Gesellschaft,
Rektor i.R. Otto Deisenroth, Verwaltungsoberrat Hans Stuckhardt.

Das Jubiläumsjahr 1987

Ein Blick in die Zeitgeschichte
Das Jubiläumsjahr 1987 hat bis jetzt erfreuliche und unerfreuliche Entwicklungen gebracht. Die politischen Eisblöcke beginnen etwas zu schmelzen. Die Weltmächte Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika machen Rüstungs- und Friedensvorschläge, über deren Realisierung die Politiker verhandeln und worauf die Völker warten.
Der neue sowjetische Parteichef Gorbatschow propagiert den Abbau der Mittelstreckenraketen. Er strebt auch bessere Beziehungen zur BRD an und lädt Bundespräsident Weizsäcker zum Staatsbesuch in Russland ein.
Das Unglück im Kernkraftwerk Tschernobyl hat die ganze Welt beunruhigt und die Kernkraftgegner in der BRD zu verstärkten Aktionen angeheizt. Andauernde politische Unruhen gibt es auch in Südkoreas Hauptstadt Seoul. In Bonn beteiligen sich 300 000 Demonstranten an den Oster-Friedensaufmärschen. Amerikas Präsident Reagan und Frankreichs Staatspräsident Mitterand nehmen an der 750 Jahrfeier in Berlin teil und bekräftigen die Schutzgarantie der Westmächte für Berlin.

Israels Staatspräsident Chaim Herzog besucht erstmals die Bundesrepublik, Papst Johannes Paul II. zum zweitenmal. Bundespräsident von Weizsäcker bereist Mittelamerika und den Nahen Osten.

Die BRD und die DDR sind sich trotz der trennenden Grenze näher gekommen. Die Schussanlagen an der Grenze wurden abgebaut. 2.9 Millionen Reisende aus der DDR in die BRD und 303 245 Lastkraftwagen passierten den hessischen Grenzübergang Herleshausen. Trier und Weimar, Erlangen und Jena, Saarlouis und Eisenhüttenstadt schließen Städtepartnerschaft. Hersfelds städtische Gremien besuchen Arnstadt, führen dort kommunalpolitische Gespräche und nehmen Kontakte auf. Bebras Stadtväter nehmen partnerschaftliche Beziehungen auf zu Bad Friedrichroda, die Bürgermeister des Kreises Marburg-Biedenkopf sind zwei Tage Gäste des Oberbürgermeisters und der Stadt Suhl. Die Stadt Marburg strebt Partnerschaft mit Eisenach an. In Hersfeld findet das 7. Treffen ehemaliger Gerstunger statt.

Die Bundesrepublik hat gewählt. Die CDU erreicht 44,2 %, die SPD 37,2 %, die FDP 9,2 % und die Grünen 8,2 %. Die CDU-FDP Koalition mit Bundeskanzler Kohl bleibt im Amt. Im Wahlkreis 128 Hersfeld wird MdB Wittich / SPD aus Ludwigsau-Friedlos gewählt, MdB Böhm /CDU kommt über die Landesliste wieder in den Bundestag. Die SPD bleibt bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg Spitzenpartei, die CDU bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. Willy Brandt tritt als Vorsitzender der SPD ab, Jochen Vogel wird sein Nachfolger. Trotz mancher Schwierigkeiten wird die Volkszählung in der Bundesrepublik durchgeführt. Die Arbeitslosenzahl erhöht sich auf 2,5 Millionen. Die Arbeitslosigkeit ist die Kehrseite der Wohlstandsgesellschaft. Dortmunds letzte Kohleschachtanlage wird geschlossen. Am 1. April 1987 gibt es maschinengeschriebene Personalausweise. Prof. Dr. Grzimek und Dalli-Dalli-Chef Hans Rosenthal sterben. Heinz Rühmann wird 85 Jahre alt. Steffi Graf gewinnt in Paris und verliert in Wimbledon.

Bei der Hessischen Landtagswahl erhält die CDU 42,1 %, die SPD 40,2 %, die Grünen 9,4 % und die FDP 7,8 %. Ministerpräsident Holger Börner tritt zurück, Walter Wallmann wird Ministerpräsident und bildet eine Koalitionsregierung mit der FDP. Irmgard Reichardt wird Landwirtschaftsministerin. Ernst Wilke wird Regierungspräsident in Kassel und MdL Reinhold Stanitzek Staatssektretär im Justizministerium.

75 Jahre ist die „Hersfelder Kreisbahn“ – jetzt „Hersfelder-Eisenbahn-Gesellschaft“ durch den Raum und durch die Zeit gedampft und gedieselt. Als Kind ihrer Zeit hat sie die Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte miterlebt und alle nationalen Katastrophen überstanden. Sie verstand es, sich den Notwendigkeiten und Veränderungen der Zeit anzupassen und ist heute (1987) als eine der wenigen übrig gebliebenen deutschen Kleinbahnen ein lebendiges geschichtliches Denkmal.

Obwohl sie „klein“ ist, ihre Strecke nur 28 km kurz und der Betriebsmittelbestand nur gering sind, ist ihre verkehrswirtschaftliche Bedeutung im deutschen Schienennetz von hohem Stellenwert. „Um eine langfristige Sicherung der Kalitransporte aus dem Werratal zum Streckennetz der Bundesbahn zu ermöglichen, ist die HEG unbedingt erforderlich“, schrieb erst kürzlich Staatssekretär Haas vom Bundesverkehrsministerium in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage die Kreisbahn betreffend. „Die deutsche Reichsbahn der DDR erhält für die Kalitransporte über Gerstungen ein beträchtliches Kilometergeld aus dem Frachtanteil der Deutschen Bundesbahn. Da die DDR an dem Frachtgeld interessiert ist, ist eine neue Störung des Kaliverkehrs in den nächsten Jahren kaum zu befürchten. Sollte aber aus unvorherzusehenden Gründen die Kalistrecke über Gerstungen trotzdem wieder gesperrt werden, so gibt es immer den Ausweg, die Kalitransporte über die Kreisbahnstrecke zu leiten. Die Kreisbahn ist eine strategische Bahn, die der Sicherung der Arbeitsplätze im Werraraum und der störungsfreien Kaliabfuhr in Kriesenzeiten dient. Sie ist unbedingt erforderlich und muss auch in Zukunft erhalten bleiben“.

Und so rollten die Räder der hersfelder Kreisbahn alias Hersfelder-Eisenbahn-Gesellschaft noch bis zum 31.12.1993. An diesem Tage verkehrte der letzte Personenzug. Die Strecke wurde eingestellt.

Der Bahnhof in Schenklengsfeld