Geschichte des Meierhofes Ehrenthal
Der ehemalige Meierhof Ehrenthal (oft auch Erthal genannt) ist vermutlich schon mit oder kurz nach Errichtung der Burg Landeck in einer Talmulde zwischen dem Südhang des Landecker Berges und dem Kreuzberg in einem wasserreichen, gegen Nord- und Ostwinde geschützten Areal erbaut worden. Urkundlich erstmalig erwähnt wurde der „Hof zu Ertail“ im Jahr 1367, er diente der Lebensmittelversorgung der Burgleute auf Landeck.
Im Staatsarchiv Marburg existieren über den Meierhof Ehrenthal mehrere Dokumente. Zuerst sei ein Kaufvertrag aus einer Urkunde vom 23. März 1371 genannt: Bekennen Heinrich von Manspach, Ritter, Agnese, dessen Eheliche wirtin, daß sie mit willen Friedrichs von der Tann, Ritter, und dessen eheliche wirtin, Giselga, dem Probst Reinhard zu Creutzeberg, ihren Hof zu Ertail unter dem Haus zu Landecke gelegen, mit aller Zugehörung, vor 461 Kleine Gulden, eigentümlich verkauft hätten.
In einer Urkunde des Klosters Creuzberg vom 22. November 1388 heißt es: Bekennet Abt Reinhard des Stifts zu Hersfelt, daß er mit Wissen und Verhängniß des Dechands und Convents gemeinlich daselbst der Aebtissin Frauen Metzin und ganzen Sammlung ihres Klosters zu Creutzeberg, aus ihrem Hofe zu Ertail unter besagten Stifts Hersfelt, Schlosse Landegke gelegen, 30 Gulden Geldes, gut an Golde, jährlich, halb an besagten Klosters Siechenhaus und das andere Theil, zur Haltung, der von Ebirhart Gobschalgse und Hermann von Buchinaw, Ritter in obgedachtem Kloster fundierten Maaße, zu entrichten von 300 Gulden gut an Golde, wiederverkäuflich, verkauft hätte.
Im Jahre 1508 belehnte Abt Volpert von Riedesel aus Hersfeld die Herren von Trümbach mit dem Wale (Wald) zu Ertail mit seyner Zugehörungne, Holtz, Felt, Wasser, Weyde, Aegker und Wiesen daselbst for eyn frie (frei) Borggutt und vor Lengefelt gelegen.
In alten Salbüchern, Verträgen und Karten sind noch weitere Namen für den Meierhof aufgeführt: 1559 Erenthal, 1571 Eirenthal, 1597 Ehrentall, 1628 Ehrenthahl, 1650 Ehrenthall und 1706 Ehrenthal.
Die um das Jahr 1710 angefertigte Schleensteinsche Karte bezeichnet den Hof mit Heerthal. Im derzeitigen Kataster befindet sich die in heutiger Schreibweise gebräuchliche Lagebezeichnung Ehrental.
Für die Zeit nach der Zerstörung der Burg Landeck weisen alte Schriftstücke im Jahr 1585 den Hof nur noch mit einem „Hausgesessen“ (Haushalt) nach, in den Jahren 1610 und 1628 werden jeweils zwei „Hausgesessen“ in den Unterlagen genannt. Nach dem dreißigjährigen Krieg (1648) bearbeitete der Meier Hans Rüger mit seinen drei Söhnen und drei Töchtern den Hof. Im Jahr 1673 bewirtschafteten wieder zwei Bauern sämtliche Ländereien des Hofgutes.
Die Landgrafschaft Kassel verkaufte 1686 den gesamten Meierhof Ehrenthal für 950 Reichstaler, 50 Taler Lehngeld und einen jährlichen Erbzins in Frucht an die Gemeinde Oberlengsfeld. Nachdem alle Grundstücke in verschieden große Flächenabschnitte aufgeteilt waren, veräußerte sie die Gemeinde Oberlengsfeld an dreizehn Bauern des Landecker Amtes. Zwischenzeitlich ab dem Jahr 1709 hatten die Schäfer Hans Henrich Deys und Johannes Schweng sämtliche Hofgebäude gepachtet. Seit 1736 waren sie wieder unbewohnt und somit dem langsamen Verfall preisgegeben. Reste der Kellerräume sollen sich noch um das Jahr 1840 am Standort des ehemaligen Herrenhauses befunden haben.
Familie von Uslar – Gleichen kauft Hofgut Ehrenthal
Freiherr Carl von Uslar – Gleichen erwarb den in der Ortsmitte von Oberlengsfeld befindlichen „Wagnerschen Hof“ (heute Landecker Straße 79 u. 81), dessen Gebäude 1782 erbaut wurden. Gleichzeitig gelang es ihm im Jahr 1851, neben den Ländereien des 345 Acker (82,3352 ha) großen ehemaligen herrschaftlichen Hofgutes Ehrenthal noch weitere landwirtschaftliche Flächen in der Nachbarschaft aufzukaufen. Familie von Uslar – Gleichen bewirtschaftete die erworbenen Flächen über einige Jahrzehnte hinweg, aber mit sehr wechselvollem Geschick. Anfang der siebziger Jahre kam es dann sogar zur Zwangsversteigerung, doch Frau Alwine von Uslar – Gleichen konnte über „die zweite Hand“ den Hof Ehrenthal mit seinen Ländereien wiedererwerben. In der Zwischenzeit versuchten verschiedene Pächter ihr Auskommen auf Hof Ehrenthal zu finden, sie mussten allerdings aus wirtschaftlichen Gründen bald wieder aufgeben. Daher übernahm die Familie von Uslar – Gleichen nochmals die Bewirtschaftung des Hofes in eigener Regie, jedoch auch nur mit geringem Erfolg. Aufgrund dieser hoffnungslosen Gesamtsituation fasste Familie von Uslar – Gleichen den Entschluss, alle landwirtschaftlichen Flächen einschließlich des Hofgrundstückes zu verkaufen. Sie beauftragten im Mai 1898 einen Kasseler Immobilienmakler, ihnen einen kaufwilligen Interessenten für den gesamten Grundbesitz zu vermitteln. Aus einem Briefwechsel der Eigentümerin mit dem Makler lässt sich entnehmen, dass die Gesamtfläche des Gutes damals 540 Morgen betrug, 91 Morgen des Areals wurden als ausgezeichnete Wiesenflächen beschrieben. Bereits nach wenigen Wochen hatte der Vermittler einen Kaufinteressenten für Hof und Ländereien gefunden.
„Rittergut Ehrenthal“ wird weiterverkauft
Kapitän Carl Schreiber, wohnhaft in Kassel, unterzeichnete am 27. August 1898 in einem Kasseler Büro als Erwerber den Kaufvertrag, zwei Tage später setzte Freifrau Alwine von Uslar – Gleichen ihre Unterschrift in Oberlengsfeld unter den Vertrag. Alle in der Urkunde mehrmals mit „Rittergut Ehrenthal“ bezeichneten Flächen wechselten mit lebendem und totem Inventar für den Betrag von 225 000 Mark den Besitzer. Diese Summe setzte sich aus 150 000 Mark für den Grundbesitz und 75 000 Mark für das Inventar zusammen. Zum lebenden Inventar gehörten laut Vertrag zehn Pferde, vierundvierzig Stück Rindvieh (darunter ein Zuchtbulle), dreißig Schweine, dreiunddreißig Hühner und dreißig Tauben. Als Übergabetermin war von den Vertragsparteien der 1. April 1890 festgelegt worden. Kurz nach der Vertragsunterzeichnung erhielt der neue Eigentümer Carl Schreiber durch einen Brief des Amtsgerichtes Schenklengsfeld davon Kenntnis, dass die im Kaufvertrag mehrmals benutzte Bezeichnung „Rittergut Ehrenthal“ im Grundbuch der Gemeinde Oberlengsfeld überhaupt nicht existierte. Auch die daraufhin um Auskunft gebetene „Ritterschaftliche Stiftung in Kurhessen“ bestätigte ihm in einem Schreiben wörtlich, dass in der Gütermatrikel
der althessischen Ritterschaft ein Hof Ehrenthal und überhaupt ein Rittergut in Oberlengsfeld nicht vorkommt. Da aber Herr Schreiber bei der Vertragsunterzeichnung vom Kauf eines alten Rittergutes ausgegangen war, verklagte er Freifrau Alwine von Uslar – Gleichen vor
Gericht wegen Täuschung und verlangte die Rückgängigmachung des Vertrages.
Die Verhandlung fand in Kassel statt, am 25. November 1899 verkündete das Gericht folgendes Urteil: Im Namen des Königs! Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen. Wann und an wen Herr Schreiber das Gut dann später doch noch weiterveräußern konnte, ist aus den Akten nicht ersichtlich.
In seinem Buch „Das Amt Landeck und seine Bewohner“ berichtet Konrad Schüler sogar noch über einen Arzt, der zwischenzeitlich im Besitz des Gutes Ehrenthal gewesen sein soll. In den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen war hierüber kein Hinweis zu finden.
Zu einem späteren Zeitpunkt erwarb eine Landgesellschaft den gesamten Besitz und verkaufte die verschieden Flächenabschnitte wieder an die Landecker Bauern, die diese Ländereien schon einmal bis zum Jahr 1850 selbst bewirtschaftet hatten.
Lokalisierung des Hofes Ehrenthal
In alten Salbüchern des Landecker Amtes taucht die Flurbezeichnung Ehrenthal immer wieder auf. Nur die definitive Lage der einstigen Gutsgebäude war in der Bevölkerung umstritten und beruhte oft auf vagen Vermutungen. Aus diesem Grund war es für mich eine besondere Herausforderung, das ehemalige Hofareal genau zu lokalisieren.
Die erste Erfassung sämtlicher Grundstücke der Gemarkung Oberlengsfeld erfolgte im Jahre 1706 durch den Landmesser Johann Faber. Nach dem Abschluss der Vermessungsarbeiten wurden für das gesamte Gemarkungsgebiet fünf Kartenblätter angefertigt, Hof Ehrenthal mit den dazugehörenden Ländereien war im neuen Blatt C dargestellt.
In den zurückliegenden Jahrhunderten sind die in der Karte von 1706 befindlichen Umringsgrenzen im Bereich des Staatswaldes am Landecker Berg und der Kleinen Liede im Vergleich zu den heute bestehenden Grenzen in der Katasterkarte nur geringfügig verändert worden. Aufgrund dieser Gegebenheiten konnte die alte Kartendarstellung über mehrere identische Punkte in die heutige Katasterkarte eingepasst werden, um so die genaue Lage des ehemaligen Hofes Ehrenthal zu ermitteln. Er befand sich ca. 1300 m ostnordöstlich der Ortsmitte von Oberlengsfeld, bzw. rd. 740 m südöstlich der Burg Landeck direkt am Fuße des Landecker Berges. Die Hofgebäude standen auf einem leicht ansteigenden Südhang oberhalb des Talgrundes, umschlossen von einem 18,9244 ha großen Wiesengrundstück mit der Bezeichnung „Die Ehrenthäler Wiese“. In den Unterlagen von 1706 war die Flächengröße des Hofareals mit eineinhalb Acker und sechs Quadratruten angegeben, umgerechnet entsprechen diese Werte einer Fläche von 3675 m2. Die Abgrenzung des Hofbereichs bildete ein unregelmäßiges Viereck, das größte auf der Nordseite des Hofes stehende Gebäude, vermutlich das ehemalige Herrenhaus, war 22,50 m lang und 9,50 m breit. Außerdem befanden sich auf dem Hofgrundstück noch vier weitere Bauwerke mit teilweise beachtlichen Gebäudemaßen. Ob die in der Karte dargestellte Hofbegrenzung aus einer Mauer oder einer Hecke bestand, lässt sich derzeit nicht mehr feststellen. Heute führt ein Feldweg, der zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich noch nicht existierte, direkt über Bauern bei der Feldbearbeitung in dessen Umgebung schon mehrmals alte, rostige und verhältnismäßig kleine Hufeisen. Sie gehörten vermutlich zu Steppenpferden der Kosaken, die im Jahre 1813 beim Durchmarsch von russischen Truppenteilen auch durch dieses Gebiet gezogen sind.
Im Historischen Ortslexikon des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde in Marburg existierte bisher schon eine ungefähre Lokalisierung des ehemaligen Hofareals. Allerdings ergab sich eine Differenz von rund 150 Metern zum nunmehr genau ermittelten Standort der Gebäude. Um eine Klärung dieser Abweichung herbeizuführen, wurden dem Landesamt alle verfügbaren Unterlagen einschließlich der Karten mit der Bitte um eine Stellungnahme übersandt. Schon kurze Zeit später bestätigte das Amt mit Schreiben vom 14. Februar 2008, das nach einer Überprüfung der vorgelegten Dokumente eine Korrektur der Lagekoordinaten des Hofes Ehrenthal im Historischen Ortslexikon erfolgt sei.
Noch heute erinnert die in den Katasterunterlagen eingetragene Flurbezeichnung „Im Ehrenthal“ an das einstige herrschaftliche Gut.
Um das Andenken an den ehemaligen Meierhof Ehrenthal in der Bevölkerung wachzuhalten, errichtete der Vorsitzende des Heimatvereins Landeck 1953 e. V. Karl Honikel am einstigen Standort der Hofgebäude eine kleine Informationstafel.
Quellen- und Literaturverzeichnis:
Elisabeth Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei
Hersfeld von seinen Anfängen bis 1821,
Elwert Verlag, Marburg, 1939
Konrad Schüler, Das Amt Landeck und seine
Bewohner, Kassel, 1914
Dr. Hans Lerch, Hessische Agrargeschichte des
- und 18. Jahrhunderts, Marburg, 1926
Dr. Klaus Sippel, Archäologische Denkmäler in
Hessen, Burg Landeck und das karolingische
Gräberfeld von Hilmes, Führungsblatt 86
Dr. Ulrich Ritzerfeld, Hessisches Landesamt für
geschichtliche Landeskunde, Marburg, Schreiben
vom 14.02.2008
Karl Honikel, Festschrift 675 Jahre Oberlengsfeld,
1314 – 1989, Schenklengsfeld, 1989
Kirchenbücher der Evangelischen Kirchengemeinde
Schenklengsfeld
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestände:
270 Kassel Nr. 1390 u. 1401
Karte: P II 4364 Blatt 5